Fallstudie: Weg von starren Prozessen - Rohstoffaufgabe in der kontinuierlichen Arzneimittel-Herstellung
Im Vergleich zum traditionellen, „starren“ Chargenprozess, der in der Pharmaindustrie noch dominiert, bietet die kontinuierliche Produktion (Continuous Manufacturing) von Arzneimitteln nicht nur Vorteile hinsichtlich der Produktionsleistung, sondern stellt einen entscheidenden Faktor für die Produktqualität sowie auch der Prozessentwicklung durch ausführliche und kontinuierliche Prozessanalysedaten dar. Im Gegensatz zum chargenbezogenen Ansatz können die Herstellungskosten bei kontinuierlicher Produktion signifikant reduziert, Produktionszeiten verkürzt und die Gesamteffizienz deutlich gesteigert werden.
Einem namhaften, internationalen Hersteller von Pharmazeutika mit mehreren Produktionsstätten in Deutschland gelang mit einer neuen, kontinuierlichen Produktionsanlage ein in der Branche bedeutsamer Meilenstein in Bezug auf kontinuierliche Herstellung in der pharmazeutischen Industrie. In zwei Produktionslinien soll eine GMP-gerechte Rohstoffaufgabe zur Beschickung der kontinuierlichen Mischtechnologie (CMT) unter Beachtung eines geschlossenen, sicheren Containment- Produkttransfers gewährleistet sowie auch eine kontinuierliche Dosierfunktion implementiert
werden. Staubfreie Systeme (ausgelegt bis zu OEB-Level 3), eine hohe Anlagenverfügbarkeit sowie eine automatische CIP-Reinigungsfunktion (Cleaning in Place) waren die Hauptanforderungen des Kunden. Unter Berücksichtigung des Prinzips der Nachhaltigkeit und Industrie 4.0 wurde eine vollautomatische Einbindung in den Gesamtprozess angestrebt mit Fokus auf die energetische Betrachtung der eingesetzten Systeme sowie auf regionale Abwicklung und Fertigung.
Staubarme Big-Bag-Entleerung
Nach dem Wareneingang erfolgt der Transport der Big-Bags mit verschiedenen aktiven pharmazeutischen Wirk- und Hilfsstoffen (APIs) zu den auf zwei Räume aufgeteilten Anlagen mit je fünf Big-Bag-Entleerstationen. Eine Entleerstation besteht im Wesentlichen ausfolgenden Bestandteilen:
- Das Anschlusssystem bildet die Kernkomponente für einen sicheren und staubfreien Anschluss der Big-Bags. Das zu entleerende Produkt fällt gravimetrisch in einen Absaugschuh, der die Schnittstelle zum anschließenden Verfahrensschritt darstellt.
- Der Auflagetisch fängt das Gewicht des Big-Bags ab und dient zur Absicherung schwerer Lasten.
- Ein Walkpaddel dient als Austragshilfe zur Auflockerung schwerfließender Produkte.
- Das entsprechende Gestell dient zum Befestigen des Anschlusssystems und der Big Bag-Auflage. Eine pneumatische Spannvorrichtung dient zur Straffung des Big Bag-Auslaufs. Je nach Einsatzgebiet, Bedienhöhe und Einbaumaßnahme gibt es verschiedene Zusatzoptionen.
- Ein Laufbahnträger mit Kettenzug sowie ein Ladegeschirr sind notwendig, um die Big-Bags sicher anzuheben und über dem Anschluss-System zum Entleeren positionieren zu können.
Die Besonderheit im Projekt stellt das 5-fach Kragarmportal dar, bestehend aus drei kompletten Portaleinheiten mit zwei Querverstrebungen. Diese Konstruktion in Spezialbauweise führte zu großen Einsparungen im Herstellungsprozess und ermöglichte eine vereinfachte Montage in den eingeschränkten Räumlichkeiten. Das Auslauf-Anschluss-System (AASEF) sorgt für eine staubarme Entleerung mithilfe der Zwei-Hand-Hebeltechnik. Durch den im System integrierten Entstaubungsfilter mit pneumatischer Abreinigung wird Staub unmittelbar im Anschluss- System abgeschieden und verhindert eine Verschleppung in das Absaugsystem. Eine zusätzliche Inline-Siebmaschine sorgt für eine Schutzsiebung und hält alle Fremdstoffe zurück, die nicht in das Produkt gelangen dürfen, beziehungsweise eine bestimmte Kerngröße überschreiten. Ein mobiler Transportwagen ermöglicht eine schnelle Beförderung des Anschluss-Systems und des angeschlossenen Absaugschuhs zur Nassreinigung in einem separaten Waschraum.
Produktschonende Förderung
Der Transport zum nachgelagerten Prozessschritt ist eine anspruchsvolle Anwendung in der Schüttguttechnologie. Der Schutz des Bedieners sowie das Vermeiden von Kreuzkontamination haben hierbei oberste Priorität. Im Kundenprojekt erfolgt nach der staubarmen Entleerung der Big-Bags der Übergabeprozess an das pneumatische Fördersystem (PCC) in die angrenzenden Räumlichkeiten über ein strömungstechnisch optimiertes und speziell konstruiertes Rohrleitungssystem. Das Fördersystem besteht aus insgesamt zehn ProClean Conveyorn (PCC), die für eine sichere und produktschonende Förderung von Pulvern und Granulaten bestimmt sind. Abhängig von der Wahl der Zusatzoptionen garantiert der PCC eine Steigerung der Effizienz und Flexibilität und gewährleistet die Qualität und Sicherheit des Prozesses.
Das Design der PCCs wurde kundenspezifisch auf die Anforderungen des Arzneimittelherstellers angepasst:
- Die leicht konische Bauweise des Abscheidebehälters erleichtert den Produktaustrag von schwerfließenden Pulvern für einen einwandfreien Entleerprozess.
- Das spezielle ViwateQ-Oberflächenfinish verhindert Produktanhaftung im Abscheidebehälter. Dieses Verfahren wurde speziell für die Pharma- und Lebensmittelbranche geschaffen, stellt eine neue Dimension der Oberflächenbehandlung dar und schafft zusätzlich ideale Bedingungen zur Reinigung.
- Zur Verhinderung von Brückenbildung ist der ProClean Conveyor mit einer Austragsklappe mit pneumatischem Vibrator versehen.
- Ein im ProClean Conveyor integriertes Wägesystem unterstützt die nachgelagerte Differential-Dosierwaage. Somit wird eine sehr schonende und sehr exakte kontinuierliche Verwiegung und Dosierung mit hohen Durchsatzleistungen erreicht.
Im letzten Prozessschritt beschicken die fünf Differential-Dosiermaschinen den kontinuierlichen Mischer.